oder: Deadline 24th December

Es ist schon still im Institut,
sogar das Telefax jetzt ruht.
In sanftem Licht bei schwachem Scheine
stehen die Terminals alleine.
Schneeflocken fallen leis' und sacht',
weil das der Bildschirmschoner macht,
ganz lautlos uber'n Monitor.
Kein Druckerschnarren dringt an's Ohr,
nur die Standby-Diode brennt
und flackert leicht. Es ist Advent.
Da schlie?t der Forscher ohne Eil'
g'rad' noch sein letztes Backupfile.
Und als er legt die Akten hin,
geht ihm so manches durch den Sinn.
Er denkt an die Vergangenheit:
"Von wegen gute alte Zeit!
Manch' Stund' hat man mit Zeug verbracht,
das heut' der Rechner ruck-zuck macht."
Er denkt mit mitleidsvoller Mine
an Blaupapier und Schreibmaschine
und an das Warten auf die Post -
wochenlang von West nach Ost.
Heut' mit dem Fax, da geht das fix,
und E-Mail erst: null-komma-nix,
schon sind die Daten uber'n Bus.
So kommt er zu dem festen Schlu?:
"Heut' hat man's besser, keine Frage!"
Und jetzt geht's in die Feiertage.
Er hatte sich fest vorgenommen,
nicht allzu spat nach Haus zu kommen.
Heiligabend mu? vor allen Dingen
ihm Ruhe und Erholung bringen.
Doch als er sich zum Heimgeh'n wandt',
fallt ihm sein Schlussel aus der Hand.
Und als er sich nach diesem buckt,
hat er ein Blatt Papier erblickt,
das unabsichtlich offenbar
zu Boden scheint's gefallen war.
"Ach Gott," sagt er nach kurzem Lesen,
"das hatte ich total vergessen."
Da geht's - er hat es gleich gecheckt -
um irgend so'n EU-Projekt,
das lange schon mal ausgeschrieben.
Die Bewilligung war ausgeblieben,
doch nach Protesten und Beschwerden
kann es nun neu beantragt werden.
Ganz unten steht noch: "Just remember:
Deadline: 24th December!"
Zwar war ihm das nicht angenehm,
doch im Prinzip auch kein Problem.
Da er's schon mal beantragt hatte,
ist es gewi? noch auf der Platte.
Schnell raus mit E-Mail oder Fax.
Termineinhaltung ist ein Klacks.
Eine Kopie vom Erstantrag
noch in der Aktenmappe lag.
So denkt er: "Da mach ich mir's leicht!
Der wird einfach nochmal eingereicht.
Nur's Datum ist nicht aktuell.
"Na, kein Problem, das hab'n wir schnell!"
Trotzdem fat er noch den Entschlu?,
da? er zu Haus Bescheid sag'n mu?:
'ne halbe Stund' er spater kame,
mehr Zeit das nicht in Anspruch nahme.
Das Telefon zu Haus belegt,
was unsern Forscher nicht erregt.
So schickt er halt' ne Mail, ok,
an frau.forscher@t-online.de.
Nun froh an's Werk, jetzt wird sich g'sputet,
mit frohem Pieps der Rechner bootet
und schon geht's rund, schnell wie ein Pfeil:
DOS, Windows, Word und Open File.
Doch eines ist jetzt schon fatal:
Wie hie? denn die Datei noch mal?
Schau'n wir mal, was es da gibt.
Abkurzungen sind ja sehr beliebt:
wrzlbr.fmt und knrad.txt
es ist schon manchmal wie verhext.
Und man vernimmt ein leises Fluchen:
"Ja Sakrament, da mu? ich suchen."
Nach einer Stunde, in der Tat,
er die Datei gefunden hat.
Sie hie? 'test.doc', es ist zum Flennen,
das hatt' er sich ja denken konnen.
"Na bitte," dachte er, "das pa?t!
Nur noch 'ne Kurzmessage verfa?t,
das File als Anhangsel attached
und dann ins Internet gequetscht.
Vorher wie immer den Login,
dann kriege ich das schnellstens hin."
Doch kommt es nicht ganz, wie er meint.
Denn was am Bildschirm da erscheint,
das hatt' ihn beinah' umgehaun.
Es steht da "LOCAL NETWORK'S DOWN!"
Rasch die Hotline angewahlt.
"Das krieg'n wir schon!" - doch weit gefehlt:
das Rechenzentrum menschenleer,
am Heiligabend ist da keiner mehr.
Dann klingelt noch das Telefon.
Seine Frau mit lautem Ton
entfacht 'ne Diskussion sofort,
die schlie?lich endet mit dem Wort:
"Dann heirat' nachstens dein Buro!"
Das stimmte ihn jetzt auch nicht froh.
Darauf versucht er einmal noch
den Login, denn vielleicht geht's ja doch.
Nach 10 Versuchen schmei?t er's hin:
"Das hat doch alles keinen Sinn.
Dann eben nicht mit Internet,
das macht das Kraut jetzt auch nicht fett.
Stattdessen drucke ich es aus
und dann geht es per Fax hinaus."
Doch wieder unser Forscher irrt.
Er blickt den Ausdruck an verwirrt
und er mu? zugeben, da? man
die Formeln nicht entziffern kann.
Den Grund dafur, den kennt er schon:
Das liegt sicher an der Word-Version.
Der Text mit WinWord 2 geschrieben
ist nicht ganz up-to-date geblieben.
Dies Manko wird eliminiert,
indem man Filter installiert,
ein paar Fonts zusatzlich ladt,
darauf in die win.ini geht,
dort zwei drei Eintrage editiert
und dann reg.dat modifiziert.
Zuletzt dann schlie?lich dreimal booten,
das dauert nur ein paar Minuten.
Nach drei Stunden hin und her
lief dann uberhaupt nichts mehr:
Kein Word, kein Windows und kein DOS.
Frustriert der Forscher d'rauf beschlo?,
den Rechner nunmehr abzuschalten
und zu versuchen, nach der alten
Tippex- und Schreibmaschinenweise
den alten Antrag still und leise
zu retouchier'n und wegzuschicken.
Das sollt' ihm heute doch noch glucken.
20 vor zwolf war es geschafft.
Der Forscher vollig abgeschlafft,
mehr wankt er schon, als da? er geht,
schnurstracks bis zum Faxgerat.
Den Antrag in den Einzugschacht,
gewahlt, doch - wer hatt' das gedacht -
hort er nur das Besetzt-Signal
und's Display zeigt: "ERNEUTE WAHL".
Und so probiert erneut er 's wieder,
die Laune ist total darnieder.
Beim zehnten Anlauf endlich dann
springt die Ubertragung an.
Dem Forscher geht nur durch den Sinn:
"' s ist zwei vor zwolf, das haut noch hin!"
Wie er sich freut, nah'zu unbandig,
zeigt's Display: "SENDUNG UNVOLLSTANDIG".
Es kracht die Faust, die keiner halt,
zack-bumm auf das Bedienungsfeld.
Und bei diesem Faustschlag im Affekt
ist's Faxgerat total verreckt.
Es trifft dies unsern Forscher schwer:
Jetzt ist es aus, jetzt geht nichts mehr!
Am Boden liegend sieht er dann
das Blatt Papier, mit dem's begann.
Fast rasend schnaubt er: "Just remember:
Deadline 24th December!"
Als er das Blatt zerrei?en will,
wird er mit einem Male still.
Da sieht er, da? es in der Tat
auch ruckseits noch was stehen hat.
Da steht - das sieht er jetzt ganz klar -
"Wiederholungsantrage bis Ende Januar."
Perplex steckt er nun den Antrag
einfach in einen Briefumschlag,
Adresse d'rauf und, ohne Drang,
ab damit in den Postausgang.
Schwer hat der Abend ihn geplagt,
doch jetzt scheint's endlich abgehakt,
und er tritt unverzuglich dann
den wohlverdienten Heimweg an.

Busse fahr'n zwar langst nicht mehr,
doch nimmt der Forscher das nicht schwer
und er beschlie?t zu Fu? zu laufen,
um gute, frische Luft zu schnaufen.
Ganz still ist es um diese Zeit,
die Landschaft liegt im Winterkleid,
Schneeflocken fallen sacht und leis',
rings um ihm her nur tiefes Wei?.
Man hort nichts Lautes, und im Dunkeln
vereinzelt ein paar Sterne funkeln.
Auf seinem langen Weg nach Haus'
kramt manch' Erinnerung er aus.
Viel fallt ihm ein, wahrend es schneit,
aus der guten alten Zeit.